Wie wir die Welt noch retten können
Die Ergebnisse des zweiten österreichischen Klimaberichts sind ein eindringlicher Weckruf, der die dramatischen Folgen des Klimawandels klar aufzeigt. Über 200 Forschende aus mehr als 50 Institutionen haben die umfassenden Analysen erstellt und konkrete Gegenmaßnahmen vorgeschlagen. In seiner Wiener Vorlesung beleuchtet Keywan Riahi die zentralen Handlungsoptionen.
Keywan Riahi ist einer der renommiertesten Klimaforscher Österreichs. Am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg leitet er das Energieprogramm. Im Zentrum seiner Forschung geht es darum, welche Maßnahmen wir kurzfristig setzen müssen, um langfristige Entwicklungen, wie den Klimawandel, einzuschränken. Dazu prüft Riahi, welche Maßnahmen zusätzliche Vorteile bringen – sodass sie auch von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen werden. Bei seiner Wiener Vorlesung stellt er sich dazu die größte aller Fragen: Ist die Welt noch zu retten?
Wie lautet die schnelle Antwort auf die Frage, ob die Welt noch zu retten ist?
Absolut: Ja! Die Welt wird immer da sein, die Frage ist mehr, ob die Menschheit sich selbst den Ast abschneidet, auf dem sie sitzt. Aber ich bin sehr optimistisch, dass wir diese Kurve noch kratzen können.
Ist Ihr Forschungsschwerpunkt – die Energie – dabei der Schlüssel?
Energie von den fossilen Energieträgern zu befreien, ist fundamental. Da haben wir in Österreich den großen Vorteil der Alpen: Unser Strom ist fast schon nur noch erneuerbar. Da geht es dann darum, welche Energieträger wir verwenden.
Welche Rolle spielt Mobilität dabei?
Da gibt es vor allem strukturellen Handlungsbedarf. Ziel wäre ein digital integriertes Mobilitätssystem, mit dem wir komfortabler als heute von A nach B kommen. Das kann einmal ein Elektroauto sein, einmal vielleicht ein Shuttle, ein Hochgeschwindigkeitszug zwischen den Städten.
Bei Energie geht es also nicht unbedingt um neue Technologien?
Es ist vor allem ein logistisches Problem. Aber eines, das wir uns selber geschaffen haben. Jetzt geht es darum, Infrastruktur zu bauen, um nachhaltige Technologien auch effektiv nutzen und umsetzen zu können. Ziel ist hier eine Kombination von verschiedenen Energieträgern, die es jedem Einzelnen ermöglichen, ein Teil des Marktes zu sein. Wir müssen weggehen von dem Modell der großen Kraftwerke zu einem System, wo der Einzelne vielleicht sogar ein ökonomisches Interesse daran hat.
Was macht das derzeitige System problematisch?
Dass die großen Energieversorger unglaubliche Gewinne machen und die Infrastruktur nicht gebaut wird. Da werden zusätzliche Einnahmen von Konsumenten lukriert, um eine Infrastruktur zu bauen – vor allem auf dem Rücken der PV-Stromanbieter. Da muss einfach ein Umdenken stattfinden.
Wie sehen die aktuellen Szenarien für Österreich aus?
Sie zeigen uns, dass wenn wir rasch handeln und die nötigen Investitionen tätigen, sich die Klimaneutralität bis 2040 in Österreich ausgeht.
Welche Maßnahmen braucht es dafür?
Einmal ist es notwendig, die Bedarfsseite stark zu elektrifizieren. Also im Haus wollen wir keine Gastherme mehr haben, da sollte eine Wärmepumpe stehen. Gleichzeitig müssen wir die Erneuerbaren skalieren, damit wir nicht neuen Strombedarf generieren. Damit erreichen wir eine doppelte Dividende. Wenn wir das Problem rasch lösen wollen, müssen wir auch die Größe des Systems reduzieren. Ganz generell. Da geht es nicht um Effizienz. Wir müssen uns überlegen, wo wir auch Dienstleistungen einsparen können, um das System kleiner zu machen, den Energieverbrauch zu senken. Das bedeutet nicht unbedingt eine Einschränkung. Vielleicht können wir unsere Erholung ja genauso an einem Bergsee finden, wie in der Karibik.
Abgesehen von einem Umdenken: Welche politischen Rahmenbedingungen braucht es dafür?
Wir brauchen eine Gesetzgebung, mit der wir raumplanerisch eingreifen können – in den Städten und am Land. Im Moment sind alle Infrastrukturen so aufgebaut, dass wir an und für sich ein Auto brauchen, um Zugriff auf alle Dienstleistungen zu haben. Manchmal wird das Auto weiter wichtig sein. Aber wir haben uns auch viele Probleme selbst geschaffen. Dort, wo wir andere Optionen hätten, müssen wir Dienstleistungen räumlich verschieden, sodass Mobilitätswege gekürzt werden.
Brauchen wir dafür neue Technologien?
Einen Großteil der Werkzeuge haben wir. Das zeigen auch die Szenarien. Saisonale Speicher sind vielleicht eine Sache, in die wir verstärkt investieren müssen. Oder die Wasserstoffinfrastruktur, die uns dabei helfen kann. Im Prinzip sind die Technologien also vorhanden. Man muss sie aber auch zur Anwendung bringen. Viele dieser Technologien sind jedoch mit einem gewissen Investitionsbedarf verbunden, das ist schwierig in wirtschaftlich angespannten Zeiten.
Gab es in letzter Zeit ein Forschungsergebnis, das Sie überrascht hat?
Jahr für Jahr bekommen wir mehr Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels und wie diese Auswirkungen miteinander zusammenhängen. Vor zehn Jahren hätten die meisten Wissenschaftler nie gedacht, dass wir so schnell in die Nähe dieser Kipppunkte kommen, wo eine Entwicklung sich nicht mehr umkehren lässt. Das haben wir unterschätzt. Wir wissen jetzt, dass wir das 1,5-Grad-Ziel sehr ernst nehmen müssen. Und dass wir, wenn wir es überschießen, das Klima destabilisieren.
Bei 1,5 Grad Erwärmung sind wir vielerorts bereits…
Ja, also geht es darum, wie wir die Temperatur wieder zurückschrauben können – um das sogenannte Overshoot-Management.
Welchen Gedanken möchten Sie Menschen von Ihrer Wiener Vorlesung mitgeben?
Dass diese Transformation möglich ist. Und dass diese Transformation nicht die Welt kostet. Wir haben viel, viel kostspieligere Probleme gelöst als den Klimawandel. Und dass sie selbst etwas beitragen können. Im Moment haben wir in der Gesellschaft eine sehr zwiespältige Diskussion über den Klimawandel, weil so viel Fehlinformation über die sozialen Medien ganz gezielt an die Bevölkerung herangetragen wird. Ich sehe es als meine Aufgabe als Wissenschaftler, die Fakten immer wieder zu wiederholen, damit die Menschen verstehen, dass das ein Problem ist, das man in kleinen Schritten und ganz gezielt lösen kann.
Wie kann das gelingen?
Man braucht einen Plan, an dem man sich hält. Das Lösen des Klimaproblems bedeutet nicht, dass unser Wohlstand aufgrund der Klimapolitik in Gefahr ist. Unser Wohlstand ist in Gefahr, wenn wir keine Klimapolitik machen.
Verfasst von Judith Belfkih / Wiener Vorlesungen
Informationen zur Veranstaltung:
Wiener Vorlesung, 6.10.2025
Keywan Riahi
© Matthias Silveri